Emil Gataullin

Zauberhaftes Russland

© Emil Gataullin

Kann es für einen begabten Menschen etwas Schlimmeres geben, als von seinen Zeitgenossen verkannt zu werden? Emil Gataullin konnte diesem Schicksal entkommen. Bis vor Kurzem war der heute 46-jährige Fotograf aus Joschkar-Ola, einem Ort, der 750 Kilometer östlich von Moskau an einem Wolgazufluss liegt, in Europa und den USA so gut wie unbekannt.

Doch alles änderte sich, als er 2014 beim Alfred-Fried-Award ausgezeichnet wurde. Unter 5200 Einsendungen aus über 100 Ländern hatte sich sein Bild durchgesetzt, eine Aufnahme von zwei Jungen, die sich in Ferapontowo im Bezirk Wologda mit einer Schaukel überschlagen. Es beinhaltet alles, was Gataullins Werk ausmacht: ein ländliches Russland in Schwarz-Weiß, poetisch, zeitlos und weit entfernt vom Klischee einer maßlosen Industrialisierung, wie es im Westen gepflegt wird. Ohne nostalgisch zu werden oder zu überzeichnen, fängt Gataullin das Wesen des ländlichen Lebens seiner Heimat ein, in einem Stil, der an Cartier-Bresson und Koudelka denken lässt, zwei Meister, auf die er sich immer wieder beruft.

„Meine Bilder sind keine Projekte.“ So beschreibt Gataullin seine Arbeit in seinem Buch Bis zum Horizont, das 2016 erschien. „Sie sind einfach nur Ausschnitte aus dem Leben.“ Augenblicke des Alltags verwandelt er in magische Momente, die den Betrachter verzaubern. Wie auf dem Bild, das die Beine einer Frau zeigt, die im Brautkleid und in weißen High Heels eine von Pfützen bedeckte Straße überquert. Ihr Kleid bauscht sich auf, und ihre Gestalt spiegelt sich im Wasser. Eine Hommage an Willy Ronis und sein berühmtes Foto aus dem Jahr 1947, auf dem eine junge Dame über eine Pfütze steigt, in der sich die Säule auf der Place Vendôme spiegelt.

Emil Gataullin, Sohn eines Sängers und einer Musiklehrerin, hat sich die Liebe zum russischen Landleben bewahrt, die in ihm entstand, als er als Kind die Ferien bei seiner Großmutter und seinem Onkel verbrachte und dort Pilze sammelte, aufs Vieh aufpasste oder zum Angeln ging. „Das war die schönste Zeit meines Lebens“, so Gataullin im Rückblick. Vielleicht sind diese Worte der Schlüssel zum Verständnis seines Werks. Seine Bilder ermöglichen ihm eine Reise in die Vergangenheit, zurück in das Dorf seiner Kindheit. So kann er wieder mit dieser Welt in Verbindung treten, die er verlassen hat, als er mit seiner Familie an den Rand einer Großstadt zog. Diese Ausstellung ist eine Liebeserklärung an das Land seiner Kindheit, eine romantische Irrfahrt durch unentdeckte Gefilde, in denen die Uhren langsamer gehen.

 

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